Freitag, 28. Oktober 2011

Professorengehälter steigen - Zum Glück!

Die Meldung hat es vor wenigen Wochen sogar zur ersten in der 20:00-Tagesschau geschafft: Das Bundesverfassungsgericht hat die derzeitige Besoldung von W2-Professoren für verfassungswiedrig erklärt, insbesondere ist sie zu gering. Die Kommentare in Onlineforen, die Berichterstattung und diverse Gespräche über die Jahre zeigen mir: Den meisten Leuten ist nicht klar, wie das mit der Professorenbesoldung so läuft oder sogar verschärft, was Professoren eigentlich tun. Also lohnt es, sich das Thema genauer anzuschauen.

Verhandlung des zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts, 1989,
Bundesarchiv, B 145 Bild-F080597-0004 / Reineke, Engelbert
CC-BY-SA-3.0-de, via Wikimedia Commons
Zunächst ist die Frage wie es sein kann, dass ein Professor eine Erhöhung der Bezüge vor Gericht einklagen kann. Das liegt daran, dass Professoren Beamte sind, weswegen sie auch keine Gehälter und Renten erhalten, sondern Bezüge und Pensionen. Damit einher gehen gewisse Einschränkungen der Rechte, insbesondere haben Beamte kein Streikrecht und damit keine Möglichkeit, eine Erhöhung ihres Einkommens durch Arbeitskampf durchzusetzen. Die Höhe der Bezüge von Beamten ist im Grundgesetz geregelt, weswegen das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht landete. Eine normale Angestellte kann das also nicht.

Ein damit verwandter Punkt, der in vielen Kommentaren auftauchte ist, ob da jemand den Hals nicht vollkriegt und deswegen klagen muss. Es erinnert mich an den Fall von Hans Eichel, der kürzlich vor Gericht ging, um höhere Pensionsansprüche durchzusetzen und deswegen von vielen scharf kritisiert wurde. Meine Meinung dazu ist, dass weder Professoren noch Finanzminister unanständig viel verdienen und es kann ja auch nicht sein, dass ein hohes Gehalt zum Verlust des Rechts führt, Forderungen vor Gericht durchzusetzen zu können.

Worum geht es denn nun eigentlich? Hintergrund ist, dass deutsche Hochschulen in den letzten zehn Jahren in fast beispielloser Weise transformiert wurden, und zwar durch die Umstellung von Diplom auf Bachelor/Master und die Einführung der W-Besoldung. Diese löste fuer neu ausgeschriebene Stellen die C-Besoldung ab (W2/W3 statt C3/C4). Diese waren mit guten Bezügen ausgestattet, schon als C3 hatte man ein Auskommen, dass absolut ausreichte, um gut zu leben. Um sein Gehalt zu erhöhen, gab es im eine einzige Moeglichkeit, nämlich das erfolgreiche Bewerben auf Stellen an anderen Universitäten, was zu einer speziell geregelten Verhandlungsrunde mit der Ziel und der Heimuniversität führte.

Bei der W-Besoldung wurden die Bezüge in ein Grundgehalt und leistungsbezogene Boni unterteilt. Erklärtes Ziel war es, dabei keine Kürzung der Bezüge in Summe durchzuführen. Das Geld für die leistungsbezogenen Boni wurde also durch die Kürzung der Grundgehälter um 25% bereitgestellt. Und es ist dies, was letztlich zur Klage führte. Lassen wir erstmal die Boni beiseite und schauen uns nur das Grundgehalt an. Beim Kläger ergab sich ein Grundgehalt auf einer W2-Professur 2007 in Hessen von 4.000 Euro (diese sind seitdem leicht erhöht worden, in etwa Inflationsausgleich). Ich kenne seine familiären Verhältnisse nicht, aber als Single kommen dann fürs leicht rechnen 3.000 Euro netto raus, da Beamte weniger Abzüge als Angestellte haben. Davon geht noch die Krankenversicherung ab, wenn man das also als ein Angestellengehalt von 70.000 Brutto sieht, liegt man nicht ganz falsch.

Das ist ein gutes Gehalt, es liegt weit über dem Durchschnitt und ist damit für viele Menschen unerreichbar hoch. Vielleicht liegt hier ein Grund für das Unverständnis vieler bezüglich der Klage. Nun ist die Frage, was die Anforderungen an den Job sind, was für Leute man also mit diesem Gehalt locken will und welche Qualifikation gefordert wird. Die Qualifikation ist: Abgeschlossenes Hochschulstudium, Promotion, eine Habilitation oder äquivalente Leistungen oder anders gesagt der Nachweis, dass man auf einem bestimmten Gebiet eine absolute Expertin ist. Im Ergebnis liegt das durchschnittliche Berufungsalter bei 42.

Dazu kommt die Anforderung die an den Weg gestellt wird: Auslandserfahrung ist im wesentlichen ein muss. Nach der Promotion hat man in der Regel befristete Stellen und die Professur ist die erste Dauerstelle. Darüberhinaus zahlt man jeden Monat drauf: Die Einführung der W-Besoldung führte auch zu einer Kürzung der Gehälter im akademischen Mittelbau und so ist es nun nicht mehr unüblich, den Weg zur Professur als Angestellter auf TVL13 zu gehen, also etwa 50.000 Brutto (zu vergleichen mit einem promovierten Gruppenleiter und 5 Jahren Berufserfahrung irgendwo in der Industrie). Schliesslich ist da noch die Konkurrenz: Die Stellen sind begrenzt, wer also diesen Weg geht, geht ein hohes Risiko, denn es sind mehr Stellen im Mittelbau da als Professuren. Das bedeutet auch, dass eine 40-Stunden-Woche keine Option ist, denn damit schafft man den Sprung nicht, weil andere an einem vorbeiziehen. Als letzter Punkt ist noch anzumerken, dass man nicht an der Uni berufen werden kann, an der man gerade arbeitet, eine Professur impliziert also einen Wohnortwechsel. Dies ist für leitende Angestellte heutzutage natürlich nicht ungewöhnlich, sollte aber nicht unerwähnt bleiben und ist für die Frage, für welches Gehalt man umziehen will, nicht irrelevant.

Was sind denn nun die Anforderungen an den Job? Ein Professor ist ein leitender Angestellter, von dem erwartet wird, dass er Doktoranden anleitet (also Angestellte führt), Projekte selbstständig anleiert und durchführt, Spitzenforschung betreibt, sich ständig weiterbildet und gute Lehre macht. Stattliche Anforderungen und wenn man den Leuten nicht entsprechende Rahmenbedingungen bietet (Gehalt, Stellen, Ausrüstung), kann man nicht erwarten, Leute zu finden die diese erfüllen.

Wie sieht es nun mit den Boni aus? In der Praxis kriegen Professoren nennenswerte leistungsbezogene Zulagen. Der Verdacht liegt also auf der Hand, dass der Kläger einfach nicht gut genug ist, diese zu erhalten und deswegen vor Gericht zog (er bekam bei Klageerhebung 24 Euro Bonus). Nun, es gibt einen wesentlichen Unterschied zur freien Wirtschaft: Die Boni dort sind letztlich Mittel zum Zweck der Gewinnerhöhung und somit in der Theorie ein Gewinn für Arbeitgeber und Mitarbeiter. Dies ist bei Universitäten nicht der Fall: Gesetzt den Fall, dass alle Professoren die Zielvorgaben mit der Universität übererfüllen und alle Ansprüche an hohe Zulagen anmelden, kann die Präsidentin nur mit den Schultern zucken und sagen, dass das Finanzministerium von der Aussage, dass an ihrer Uni nur Rocker arbeiten würden, nicht überzeugt war und den Etat nicht erhöht hat. Und Drittmittel können eben nicht für Professorengehälter verwendet werden.

Im Ergebnis kneifen die Zulagen die Leute aus grundlagenorientierten und theoretischen Fächern, da die Unis häufig Zulagen über das Drittmittelvolumen vergeben. Und da hat man gegen Leute, die Millionen Drittmittel einwerben, weil ihr Equipment eben so teuer ist, keine Chance. Dies ist häufig auch die Trennlinie zwischen Professoren, die nennenswerte Nebeneinnahmen durch Gutachten und eine eigene Firma haben und denen, die neben dem Professorengehalt durch Vorträge und Bücher nur ein kleines Zubrot bekommen.

Hier sollen die Länder nun nachbessern und die Zulagen transparenter gestalten. Die Frage, ob das in einer Weise geschehen kann, die den Unis tatsächlich nutzt, sei dahingestellt.

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