Samstag, 31. August 2013

Professor sein ist nicht so schwör, Professor werden... Teil I: Der Beste seit Newton

Das Leben eines Professors ist natürlich himmlisch, wenn man nach einer Konferenz aus dem Flugzeug steigt werden krasse Forscher bereits von einem Reporterteam erwartet, was nach den neuesten spannenden Ergebnissen fragt, dann bringt einen der Chauffeur der Uni nach Hause, wo die Frau Häppchen reicht. Am nächsten Tag erwarten einen die Sekretärin mit der ausgefüllten Dienstreiseabrechnung zum Unterschreiben und Doktoranden, die die Abwesenheit genutzt haben, um neue krasse Forschungsergebnisse zu produzieren und begeistert davon erzählen, wie alles ohne Probleme funktioniert hat. Und die DFG hat den neuesten Antrag genehmigt. Also alles himmlisch. Aber wie wird man eigentlich Professor? Also nicht so, promovieren, forschen, habilitieren, forschen, bewerben, forschen, …, sondern mal ganz konkret?

Ich sags mal so: Das ist so eine Sache… Und es hängt auch davon ab, wovon man eigentlich redet. Professor ist international nicht immer dasselbe und noch nicht mal in Deutschland, wo es mittlerweile vorkommt, dass W2-Professuren befristet auf 5 Jahre ausgeschrieben werden. Ich habe mich mittlerweile in vier verschiedenen Ländern beworben, konkret Deutschland, Österreich, Schweden und USA. Und musste feststellen, dass nicht nur die Systeme sehr unterschiedlich sind, sondern auch die Bewerbungsverfahren.
Textwüsten können durch Bilder krasser Forscher mit
Uhus in Glastonbury aufgelockert werden. 
In Deutschland und Österreich wird man aufgefordert, bei Bewerbung die "üblichen" Unterlagen mitzuschicken. Dies sind also Anschreiben, Lebenslauf mit Angaben zu Publikationen, Gremientätigkeiten, Drittmitteln, sowie Urkunden (Promotion, Habilitation). In Schweden gab es einen Fragenkatalog mit etwa 100 Punkten, der sich inhaltlich nicht dramatisch von dem unterscheidet, was man auch in Deutschland abschickt, aber das komplette Neuformatieren, Übersetzen und Anpassen dauert dann einfach mal einen Tag. Dazu kommen zwei Punkte, die in Deutschland nicht Standard sind. Das eine ist ein zwei- bis dreiseitiges Expose zur eigenen Forschung, ihrer Relevanz und wie es in Zukunft weitergehen soll. So etwas ähnliches schicke ich auch in Deutschland mit, aber in deutlich anderer Form. Das andere ist ein zweiseitiges Expose zur eigenen Lehre und den eigenen Vorstellungen von Lehre. In den USA sind solche Texte zur eigenen Forschung und Lehre ebenfalls normal.

Der Knackpunkt ist nun, wie wichtig die Exposes sind. In Deutschland sind sie letztlich Beiwerk. Entscheidend ist die Anzahl der Publikationen, dann der Lebenslauf, dann vielleicht die Lehrerfahrung. Einen Text zur Lehre würde niemand lesen. Manchmal muss man eine Lehrprobe abgeben, diese wird aber nicht systematisch analysiert, sondern liefert den Komissionsmitglieder eine Möglichkeit, aus ganz anderen Gründen gewünschte oder unerwünschte Kandidaten zu pushen oder zu eliminieren. In Schweden wurde ich dagegen bei einem Interview explizit auf Passagen aus meinem Lehrexpose angesprochen, mein Probevortrag wurde nach Strich und Faden auseinandergenommen und meine Methoden, meine Lehre zu verbessern, diskutiert und gefragt, bei wie vielen Kollegen ich schon hospitiert hätte. Antwort: Bei keinem, es ist an deutschen Unis absolut unüblich. Das ganze ging etwa 90 Minuten, in Deutschland dauert dieser Teil vielleicht 60 Minuten. 
Dieser Affe lässt sich ganz wie ein Professor
spazieren fahren.
Und in den USA? Wie mir ein Kollege aus Maryland sagte, spielt der Text zur Lehre keinerlei Rolle. Es ist Folklore, die eben in den Statuten steht. Entscheidend ist wie in Deutschland die Forschungsleistung. Und noch etwas anderes: Empfehlungsschreiben. In Europa werden zu einzelnen Kandidaten von Fachleuten Gutachten zur Wissenschaft verfasst, die den Berufungskomissionen typischerweise enge Grenzen setzen.

Empfehlungsschreiben laufen dagegen folgendermassen: Jeder Kandidat fragt 3-5 Professoren nach einem Empfehlungsschreiben. Diese verfassen es, der Kandidat schreibt die Kontaktadressen der Professoren in die Bewerbung rein, die entsprechende Uni fordert dann von diesen die Schreiben an. Ganze Sekretariate sind damit beschäftigt, die zu verschicken und zu sortieren. Will man an einer amerikanischen Eliteuni eine Stelle kriegen, sind zwei Dinge unabdinglich, wie mir Tony Jameson erklärte. Zum Ersten müssen die Gutachter den Leuten bekannt sein, man muss also Leute aus Harvard fragen und nicht aus Ulan Bator. Und zum Zweiten muss dann endlich mal die Wahrheit über krasse Forscher drinstehen. "He's the Best since Newton."

Bei mir lief dass dann so: Drei der von mir angefragten wollten ein Gutachten vorgeschrieben haben, alle schrieben im europäischen Stil, in dem man nur vorsichtige Aussagen trifft und ich hatte keine Chance. Wie auch andere europäische Bewerber mit denen ich sprach. Bei einem schrieb ein englischer Gutachter nur lapidar: I recommend the candidate for this position. Es ist eben wie bei einem Betriebszeugnis in Deutschland. Wenn da gewisse Sachen nicht stehen und das Zeugnis weniger euphorisch ist als üblich, dann ist das als bewusste Abweichung von der Norm ein Statement.

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