Sonntag, 8. Juli 2012

Gaming yourself

Als anständiger Nerd habe ich einen Großteil meiner Jugend mit Spielen verbracht, Fantasy-Rollenspiele, Computerspiele, vor allem aber mit Schach. Auf einer Hamburger Jugendmeisterschaft dachten sich einige Betreuer eine neue Schachvariante aus: Läufer ziehen normal, schlagen aber wie Springer, Springer ziehen normal, schlagen aber wie Läufer. Das ganze wurde als Blitzschachpartie gespielt, also mit fünf Minuten Bedenkzeit pro Spieler pro Partie, geregelt über eine Schachuhr. Sie nannten das Ergebnis "Hoppel-Poppel" und es machte unanständig viel Spaß.

Andere Betreuer rümpften die Nase, die Variante würde die Spielstärke im eigentlich Schach gefährden. Und damit sind wir bei einem interessanten Punkt. Mein Eindruck ist, dass Spielen in Deutschland als etwas kindisches wahrgenommen wird, das nicht Teil des wirklichen Lebens ist, keinen Sinn hat und in den Freizeitbereich gehört. Dazu gehört eine weitere Trennung: Arbeit und Freizeit sind unterschiedliche Welten, bei der die erste ernst ist und die andere dem Vergnügen dienen soll.

Louis Pasteur, ernst blickender Wissenschaftler mit Bart, wie man sich das vorstellt;
Nadar [Public domain], via Wikimedia Commons
Nun gibt es keinen prinzipiellen Grund, warum wichtige und relevante Dinge nicht Spaß machen sollten, Geld verdienen eine griesgrämige Angelegenheit sein sollte oder "sich Bilden" eine Assoziation zu "Staubtrocken" liefert.

Was Spielen angeht, so haben neue Unterhaltungsmedien wie leistungsstarke und billige Prozessoren und Grafikkarten (siehe dazu dieses Posting) in Kombination mit dem Internet alles revolutioniert. Es gibt für jeden Geschmack etwas und das Internet erlaubt es, sich mit Spielern seiner Spielstärke zu messen oder gemeinsam mit Freunden die eine Welt weit weg sind zu treffen. Und so sind Spiele wie World of Warcraft oder Angry Birds globale Phänomene geworden, die Teil der globalen Kultur sind. Aber, und das ist der Punkt, es gibt auch Spiele, die das Potenzial haben, die Wissenschaft zu revolutionieren.

Ein Beispiel ist Foldit. Nach einer kurzen Einführung kann man dort Proteine basteln. Klingt langweilig? Es geht darum, dass das Spiel einem ein paar Moleküle vorgibt, die man dann so dreidimensional zusammenbasteln soll, dass die Bindungsenergie minimal wird. Es gibt also keine eindeutige Lösung, es erfordert dreidimensionales Denken und der Variantenreichtum ist unendlich. Und was tut man dabei? Man hilft Biochemikern, grundlegende Fragen zum Entstehen des Lebens zu beantworten, nämlich die, welche dreidimensionalen Proteinstrukturen durch DNA codiert werden. Mal etwas übertrieben formuliert geht es um das Ziel, an einem DNA-Stück zu sehen, ob da ein Elefantenrüssel rauskommt oder ein Ellenbogen.

Es gibt also Spiele, die gleichzeitig Spaß machen und noch etwas nützliches Erledigen. Die Idee funktioniert auch andersrum: Man macht etwas nützliches, das soll aber auch noch Spaß machen. Nun ist der Mensch, noch so intelligent, gebildet und selbstbewusst, Untertan der eigenen Biologie. Unser Belohnungszentrum funktioniert sogar dann, wenn wir es bewusst anwenden. Beispielsweise ist es sowieso sinnvoll, sich zur Strukturierung der eigenen Arbeit ToDo-Listen oder Zeitpläne zu machen. Bei beidem fühlt man sich besser, wenn man Punkte auf der Liste abhaken kann, bzw. die Zeitplanung eingehalten hat. Der Trick ist nun, Punkte auf die Liste zu setzen, die man leicht abhaken kann, bzw. die Zeitplanung so zu gestalten, dass man am Tag mehr schafft als geplant war. Und oh Wunder, obwohl man sich die die Vorgaben selbst gegeben hat, ist es motivierend, sie erfüllt zu haben, im Gegensatz dazu, sich einen Zeitplan vorgegeben zu haben, den man nicht einhalten kann.

Teilweise ist dies auch das Thema dieser Vorlesung. Randy Pausch hält dort seine letzte Vorlesung, wenige Monate vor seinem Krebstod, darüber wie man seine Kindheitsträume verwirklicht. Und da dafür in der Regel gewisse Fertigkeiten notwendig sind, ist Lernen ein wesentlicher Punkt. Die Technik, etwas zu machen, was Spass macht, und dabei mehr oder weniger bewusst etwas ganz anderes wichtiges zu Lernen, nennt er "Head Fake".

Letztlich liegt dem ganzen zugrunde, das Belohnungszentrum auszunutzen. Computerspiele, beispielsweise MMORPGs wie World of Warcraft sind häufig so ausgelegt, dass die Spielerin immer wieder kleine Erfolgserlebnisse hat und dass der nächste Erfolg in Reichweite ist. Für viele sprengt das den Rahmen der Selbstdisziplin. 

Die Quizfrage ist nun: Wie bringt man die obigen Aspekte in eine Lehrveranstaltung an einer deutschen Universität ein? Und wie sieht Foldit für Numerik aus?

Und sonst:
  • Da nun das Higgs-Boson höchstwahrscheinlich entdeckt wurde, hier nochmal was es mit dem LHC auf sich hat: Der LHC-Rap. 
  • Weniger erfreulich ist dagegen dieses Video, das zum Glück von der EU wieder zurückgezogen wurde. Irgendwie auch schräg, aber um Längen besser ist das hier. Und, Thumbs up für die gute Idee, aber Abzüge in der B-Note für die mangelnde Sicherheit. 
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