Als anständiger Nerd habe ich einen Großteil meiner Jugend mit Spielen verbracht, Fantasy-Rollenspiele, Computerspiele, vor allem aber mit Schach. Auf einer Hamburger Jugendmeisterschaft dachten sich einige Betreuer eine neue Schachvariante aus: Läufer ziehen normal, schlagen aber wie Springer, Springer ziehen normal, schlagen aber wie Läufer. Das ganze wurde als Blitzschachpartie gespielt, also mit fünf Minuten Bedenkzeit pro Spieler pro Partie, geregelt über eine Schachuhr. Sie nannten das Ergebnis "Hoppel-Poppel" und es machte unanständig viel Spaß.
Andere Betreuer rümpften die Nase, die Variante würde die Spielstärke im eigentlich Schach gefährden. Und damit sind wir bei einem interessanten Punkt. Mein Eindruck ist, dass Spielen in Deutschland als etwas kindisches wahrgenommen wird, das nicht Teil des wirklichen Lebens ist, keinen Sinn hat und in den Freizeitbereich gehört. Dazu gehört eine weitere Trennung: Arbeit und Freizeit sind unterschiedliche Welten, bei der die erste ernst ist und die andere dem Vergnügen dienen soll.
Nun gibt es keinen prinzipiellen Grund, warum wichtige und relevante Dinge nicht Spaß machen sollten, Geld verdienen eine griesgrämige Angelegenheit sein sollte oder "sich Bilden" eine Assoziation zu "Staubtrocken" liefert.
Was Spielen angeht, so haben neue Unterhaltungsmedien wie leistungsstarke und billige Prozessoren und Grafikkarten (siehe dazu dieses Posting) in Kombination mit dem Internet alles revolutioniert. Es gibt für jeden Geschmack etwas und das Internet erlaubt es, sich mit Spielern seiner Spielstärke zu messen oder gemeinsam mit Freunden die eine Welt weit weg sind zu treffen. Und so sind Spiele wie World of Warcraft oder Angry Birds globale Phänomene geworden, die Teil der globalen Kultur sind. Aber, und das ist der Punkt, es gibt auch Spiele, die das Potenzial haben, die Wissenschaft zu revolutionieren.
Ein Beispiel ist Foldit. Nach einer kurzen Einführung kann man dort Proteine basteln. Klingt langweilig? Es geht darum, dass das Spiel einem ein paar Moleküle vorgibt, die man dann so dreidimensional zusammenbasteln soll, dass die Bindungsenergie minimal wird. Es gibt also keine eindeutige Lösung, es erfordert dreidimensionales Denken und der Variantenreichtum ist unendlich. Und was tut man dabei? Man hilft Biochemikern, grundlegende Fragen zum Entstehen des Lebens zu beantworten, nämlich die, welche dreidimensionalen Proteinstrukturen durch DNA codiert werden. Mal etwas übertrieben formuliert geht es um das Ziel, an einem DNA-Stück zu sehen, ob da ein Elefantenrüssel rauskommt oder ein Ellenbogen.
Es gibt also Spiele, die gleichzeitig Spaß machen und noch etwas nützliches Erledigen. Die Idee funktioniert auch andersrum: Man macht etwas nützliches, das soll aber auch noch Spaß machen. Nun ist der Mensch, noch so intelligent, gebildet und selbstbewusst, Untertan der eigenen Biologie. Unser Belohnungszentrum funktioniert sogar dann, wenn wir es bewusst anwenden. Beispielsweise ist es sowieso sinnvoll, sich zur Strukturierung der eigenen Arbeit ToDo-Listen oder Zeitpläne zu machen. Bei beidem fühlt man sich besser, wenn man Punkte auf der Liste abhaken kann, bzw. die Zeitplanung eingehalten hat. Der Trick ist nun, Punkte auf die Liste zu setzen, die man leicht abhaken kann, bzw. die Zeitplanung so zu gestalten, dass man am Tag mehr schafft als geplant war. Und oh Wunder, obwohl man sich die die Vorgaben selbst gegeben hat, ist es motivierend, sie erfüllt zu haben, im Gegensatz dazu, sich einen Zeitplan vorgegeben zu haben, den man nicht einhalten kann.
Teilweise ist dies auch das Thema dieser Vorlesung. Randy Pausch hält dort seine letzte Vorlesung, wenige Monate vor seinem Krebstod, darüber wie man seine Kindheitsträume verwirklicht. Und da dafür in der Regel gewisse Fertigkeiten notwendig sind, ist Lernen ein wesentlicher Punkt. Die Technik, etwas zu machen, was Spass macht, und dabei mehr oder weniger bewusst etwas ganz anderes wichtiges zu Lernen, nennt er "Head Fake".
Letztlich liegt dem ganzen zugrunde, das Belohnungszentrum auszunutzen. Computerspiele, beispielsweise MMORPGs wie World of Warcraft sind häufig so ausgelegt, dass die Spielerin immer wieder kleine Erfolgserlebnisse hat und dass der nächste Erfolg in Reichweite ist. Für viele sprengt das den Rahmen der Selbstdisziplin.
Die Quizfrage ist nun: Wie bringt man die obigen Aspekte in eine Lehrveranstaltung an einer deutschen Universität ein? Und wie sieht Foldit für Numerik aus?
Andere Betreuer rümpften die Nase, die Variante würde die Spielstärke im eigentlich Schach gefährden. Und damit sind wir bei einem interessanten Punkt. Mein Eindruck ist, dass Spielen in Deutschland als etwas kindisches wahrgenommen wird, das nicht Teil des wirklichen Lebens ist, keinen Sinn hat und in den Freizeitbereich gehört. Dazu gehört eine weitere Trennung: Arbeit und Freizeit sind unterschiedliche Welten, bei der die erste ernst ist und die andere dem Vergnügen dienen soll.
Louis Pasteur, ernst blickender Wissenschaftler mit Bart, wie man sich das vorstellt; Nadar [Public domain], via Wikimedia Commons |
Was Spielen angeht, so haben neue Unterhaltungsmedien wie leistungsstarke und billige Prozessoren und Grafikkarten (siehe dazu dieses Posting) in Kombination mit dem Internet alles revolutioniert. Es gibt für jeden Geschmack etwas und das Internet erlaubt es, sich mit Spielern seiner Spielstärke zu messen oder gemeinsam mit Freunden die eine Welt weit weg sind zu treffen. Und so sind Spiele wie World of Warcraft oder Angry Birds globale Phänomene geworden, die Teil der globalen Kultur sind. Aber, und das ist der Punkt, es gibt auch Spiele, die das Potenzial haben, die Wissenschaft zu revolutionieren.
Ein Beispiel ist Foldit. Nach einer kurzen Einführung kann man dort Proteine basteln. Klingt langweilig? Es geht darum, dass das Spiel einem ein paar Moleküle vorgibt, die man dann so dreidimensional zusammenbasteln soll, dass die Bindungsenergie minimal wird. Es gibt also keine eindeutige Lösung, es erfordert dreidimensionales Denken und der Variantenreichtum ist unendlich. Und was tut man dabei? Man hilft Biochemikern, grundlegende Fragen zum Entstehen des Lebens zu beantworten, nämlich die, welche dreidimensionalen Proteinstrukturen durch DNA codiert werden. Mal etwas übertrieben formuliert geht es um das Ziel, an einem DNA-Stück zu sehen, ob da ein Elefantenrüssel rauskommt oder ein Ellenbogen.
Es gibt also Spiele, die gleichzeitig Spaß machen und noch etwas nützliches Erledigen. Die Idee funktioniert auch andersrum: Man macht etwas nützliches, das soll aber auch noch Spaß machen. Nun ist der Mensch, noch so intelligent, gebildet und selbstbewusst, Untertan der eigenen Biologie. Unser Belohnungszentrum funktioniert sogar dann, wenn wir es bewusst anwenden. Beispielsweise ist es sowieso sinnvoll, sich zur Strukturierung der eigenen Arbeit ToDo-Listen oder Zeitpläne zu machen. Bei beidem fühlt man sich besser, wenn man Punkte auf der Liste abhaken kann, bzw. die Zeitplanung eingehalten hat. Der Trick ist nun, Punkte auf die Liste zu setzen, die man leicht abhaken kann, bzw. die Zeitplanung so zu gestalten, dass man am Tag mehr schafft als geplant war. Und oh Wunder, obwohl man sich die die Vorgaben selbst gegeben hat, ist es motivierend, sie erfüllt zu haben, im Gegensatz dazu, sich einen Zeitplan vorgegeben zu haben, den man nicht einhalten kann.
Teilweise ist dies auch das Thema dieser Vorlesung. Randy Pausch hält dort seine letzte Vorlesung, wenige Monate vor seinem Krebstod, darüber wie man seine Kindheitsträume verwirklicht. Und da dafür in der Regel gewisse Fertigkeiten notwendig sind, ist Lernen ein wesentlicher Punkt. Die Technik, etwas zu machen, was Spass macht, und dabei mehr oder weniger bewusst etwas ganz anderes wichtiges zu Lernen, nennt er "Head Fake".
Letztlich liegt dem ganzen zugrunde, das Belohnungszentrum auszunutzen. Computerspiele, beispielsweise MMORPGs wie World of Warcraft sind häufig so ausgelegt, dass die Spielerin immer wieder kleine Erfolgserlebnisse hat und dass der nächste Erfolg in Reichweite ist. Für viele sprengt das den Rahmen der Selbstdisziplin.
Die Quizfrage ist nun: Wie bringt man die obigen Aspekte in eine Lehrveranstaltung an einer deutschen Universität ein? Und wie sieht Foldit für Numerik aus?
Und sonst:
- Da nun das Higgs-Boson höchstwahrscheinlich entdeckt wurde, hier nochmal was es mit dem LHC auf sich hat: Der LHC-Rap.
- Weniger erfreulich ist dagegen dieses Video, das zum Glück von der EU wieder zurückgezogen wurde. Irgendwie auch schräg, aber um Längen besser ist das hier. Und, Thumbs up für die gute Idee, aber Abzüge in der B-Note für die mangelnde Sicherheit.
Der zweite Teil der Frage ist glaube ich einfacher:
AntwortenLöschenFoldit für Numerik sind einfach randomisierte Algorithmen, die wir solange laufen lassen bis wir eine hinreichende Näherung gefunden. Dummerweise brauchen wir dafür weder Spieler noch motivieren irgendwen zu Numerik.
Auf die andere Frage habe ich leider keine Antwort.
Ich habe beispielsweise den MATLAB programming contest gefunden: http://www.mathworks.com/matlabcentral/contest/contests.
LöschenDas ist halt schon etwas speziell. Vielleicht aber auch das breitenwirksamste was man sich vorstellen kann?
In der Numerikgrundvorlesung die ich gehört habe, hat man versucht uns für Pivot Golf zu begeistern: http://www.mathworks.com/matlabcentral/fileexchange/4822-using-numerical-computing-with-matlab-in-the-classroom/content/pivotgolf.m
LöschenDas geht in die Richtung des Proteinfaltens mit dem Unterschied, dass die Lösung bekannt ist.
Mh, nicht schlecht. Das ist natürlich eine gute Möglichkeit, spielerische Elemente einzufügen. Dazu ist die Meinung von Trefethen "10 Digits, 5 Seconds, just one page" auch passend: http://people.maths.ox.ac.uk/trefethen/ten_digit_algs.htm
LöschenZunächst einmal, ich bn ein großer Fan von Pauschs „Last Lecture“. Ich hab sie sicherlich 5mal gehört (Zuviel Zeit, ich weiß).
LöschenZu Foldit und Konsorten kann ich nur sagen, das deren Nutzen doch sehr begrenzt ist. Ja, ich drücke hier erheblich auf die Spaßbremse und jeder will, das Spielen irgendwie wissenschaftlich auch sinnvoll sein soll aber ernsthaft. Cui bono? Ja, es ist ein Nature-Paper aus Foldit rausgesprungen und ja, es gibt auch ein Paper über World of Warcraft. Die Möglichkeiten wissenschaftliche Inhalte zu crowdsourcen (ums mal neudeutsch auszudrücken) sind doch sehr limitiert. Die Masse ist doof, und die Möglichkeiten wissenschaftliche Fragestellungen ernsthaft bearbeiten zu können sind begrenzt. Das alles erinnert mich sehr an Seti@home. Jeder macht mit, aber wieviele Leute davon verstehen die zugrundeliegende Fourier-Analysis? Trainierte Affen können das machen und wo wir grad bei Affen sind fällt mir folgendes Analogon ein: Ein Million Affen tippen auf einer Million Schreibmaschinen eine Millionen Jahre herum und vielleicht kommt dann ein gescheiter Roman heraus.
Ich glaube ein wesentliches Element des Spielens ist der Wettbewerb. Warum also nicht in der Lehre Highscores einführen und aushängen?
Als langjähriger Bewohner der Skinner-Box (http://de.wikipedia.org/wiki/Skinner-Box) und Verteter des radikalen Behaviourismus (http://de.wikipedia.org/wiki/Behaviorismus#Radikaler_Behaviorismus) kann ich nur sagen: Gebt den Affen Zucker!
Ernsthaft, diese ganzen „Serious Games“ spielt keine Sau und es interessiert auch niemanden. Bau das ganze in einen Shooter ein und es sieht schon anders aus. Schau auch mal auf diese Seite hier: Bildung mit „Personal Highscore“ (http://www.khanacademy.org/). Bau daraus mal ein universitäres Curriculum! Das nenn ich Spielen für Bildung.
Ja und Nein. Dass High Scores wichtig sind ist ja nun ein zentraler Punkt des Artikels, genau aus den Gründen die Du nennst. Ich weiss nur ehrlich gesagt nicht wie ich sowas in eine Vorlesung übertragen will. Neulich habe ich ein Video gesehen, wo jemand berichtet hat, er würde seine Studenten wie ein Dungeon Master durch den Stoff führen, sie fangen an auf Level 1 und steigen im Rahmen der Vorlesung auf. Und der Level am Ende der Vorlesung bestimmt die Note. Nur bezweifle ich ehrlich gesagt, dass deutsche Studenten darauf abfahren.
LöschenDie Khanacademy kenne ich natürlich und habe sie hier auch schon verlinkt, allerdings für diesen Post vergessen. Ist ein exzellentes Beispiel für das wovon ich rede.
Schliesslich mag die Masse dumm sein, aber es gibt Massen an intelligenten Leuten ausserhalb des Forschungsbetriebes. Siehe Wikipedia oder den http://www.galaxyzoo.org/story. Die Frage ist nun, wie man diese Leute vernünftig einspannt und die grosse Frage die da im Hintergrund schwebt ist: Wie ändert man das Reputationssystem in der Forschung, um Wissenschaftler dazu zu motivieren, solche Aktivitäten zu betreiben? Aufgrund meiner Wikipediaaktivitäten bin ich vermutlich Deutschlands meistgelesener Mathematiker unter 40, aber das zählt in einer Bewerbung weniger als ein nur einmal zitierter Zeitschriftenartikel. Dazu mehr in einem späteren Blogpost.
Hast Du denn Zugriffszahlen für Deine Wikipediaartikel? Es würde mich wirklich mal interessieren, was meistgelesen heutzutage so bedeutet. Und warum unter 40?
LöschenAber davon mal ab, diese Foldit-Veröffentlichung in Nature: Da haben ca. 100 User an Foldit rumgefummelt und 2 Gruppen sind zu brauchbaren Ergebnissen gekommen und es hat Ihnen die Koautorenschaft eingebracht. Das ist nicht die "Masse an intelligenten Leuten", die Du einbinden willst, das sind die Nerds aus Biochemie II, die an der Norduni keine Frauen abbekommen und deswegen während der Mensapause mit ihren Laptops im Gras lieber an Proteinstrukturen rumfummeln.
Was die Wissenschaft angeht bin ich sehr skeptisch, aber ein wissenschaftliches Curriculum nur über Youtube-Videos (zumindest der theoretische Teil), und das dann in eine Webseite verpacken, wo Leute gegeneinander antreten können, das geht sicher. Siehe auch hier: http://www.amazon.de/Stryer-Biochemie-Spiel-Spielend-Pr%C3%BCfung/dp/3827400872
Selber gespielt übrigens.
bb
Zugriffszahlen für Wikipediaartikel findet man unter http://stats.grok.se. Differentialrechnung hat pro Monat etwa 30.000 Zugriffe. Das schaffen halt nur die Autoren von Standardlehrbüchern und die sind alle über 40.
LöschenAbgesehen von Leserzahlen gibt es eine andere Zahl, die Deinen Rang als Mathematiker besser beschreibt ;-) Du hast eine sensationelle Erdős-Zahl von nur 3! Bravo!
LöschenPhilipp Birken coauthored with Miroslav Tůma
Miroslav Tůma coauthored with Vojtěch Rödl
Vojtěch Rödl coauthored with Paul Erdős
Wenn das mal nix is!
Ja, das wusste ich :-) Sensationell wäre eins oder zwei, aber drei ist auch OK. Ich kenne jemanden, der von Erdoes einen Artikel erhielt aus dem berühmten Koffer den er immer mit sich trug, was typischerweise die erste Stufe bei einem gemeinsamen publizieren war. Wurde allerdings nichts draus, zum C4 hat ers trotzdem geschafft.
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