Montag, 17. Januar 2011

Herzlichen Glückwunsch, Wikipedia!

Heute ist Martin-Luther-King-day, ein nationaler Feiertag in den USA, der immer am dritten Montag des Jahres begangen wird, also dem Montag, der vermutlich am nächsten am Geburtstag von MLK liegt, wie ich auf Wikipedia erfuhr. Konkret heißt dass, dass die meisten Essgelegenheiten auf dem Campus geschlossen sind, ich den Sysop nicht fragen kann, wie ich denn nun den Übungszettel hochlade und mein Büro nach dem dritten Tag ohne Klimaanlage ziemlich muffig ist. Ansonsten ist eigentlich alles wie sonst.
Das spannende daran ist, dass mir erstmals aufgefallen ist, dass der Geburtstag von Wikipedia und der von King beide am 15. Januar sind. Irgendwie passend.

Diesen Samstag war also zehnjähriger Geburtstag von Wikipedia. Zeit für Glückwünsche, auch wenn ich mir dabei etwas vorkomme, als würde ich mir selbst gratulieren. 7 Jahre größere Aktivitäten auf Wikipedia und 4 Jahre im Vorstand von Wikimedia Deutschland sorgen doch für eine gewisse Verbundenheit. Leider konnte ich nicht in Deutschland mit dortigen Wikipedianern feiern, die Zweitwahl San Francisco entpuppte sich aber als ebenfalls total nett, mit der wohl größten je gebackenen Puzzleballtorte, wie Wikimedia-Vize Erik Moeller gut gelaunt bemerkte.

Zehn Jahre laden zu etwas Rückschau ein: Wie konnte es eigentlich dazu kommen, dass Wikipedia zehn Jahre alt geworden ist? Dieser gigantische Erfolg? Auf der einen Seite ist es eine Geschichte von der richtigen Zeit und dem richtigen Ort. Allgemeiner Zugang zu Breitbandinternet, die Existenz einer freien Lizenz, die Langsamkeit mit der die bestehenden Lexikonverlage das digitale Zeitalter angegangen sind, Wikis, etc., all dies war ein guter Nährboden für eine Community, die sich der kollaborativen Erstellung einer Enzyklopädie verschrieb. Eine Antwort auf die Fragen ist also: Die Community, eine Bewegung die sich verselbstständigt hat seit dem Moment der Gründung. Eine richtige und gute Antwort, denn die unzähligen unbezahlten Stunden Freizeit kann man nicht hoch genug bewerten.

Richtig ist auch, dass der Erfolg der Wikipedia einfach Glück war. Das Budget war über Jahre winzig, es gab ewig keine Backups der Accountdaten, verschiedene mögliche Katastrophen hätten das Projekt in den Anfangsjahren beenden können. Der Kauf von Servern in größerem Stil durch Wikimedia Deutschland e.V. 2006 war auch als Vorsichtsmaßnahme gedacht, um im Notfall die deutschsprachige Wikipedia irgendwie weiterbetreiben zu können.

Wikipedia ist aber auch die Geschichte einiger zentraler richtiger Entscheidungen abseits der eigentlichen Gründung, die von Jimmy Wales getroffen wurden.

Zunächst wäre da die internationale Ausrichtung des Projekts, die von Anfang an gegeben war und durch die Gründung von eigenen Seiten für die französische und deutschsprachige Wikipedia schon am 15. März 2001 unterstrichen wurde. Dieser Aspekt von Wikipedia war ihm immer eine Herzensangelegenheit.

Dazu kommt die gemeinnützige Wikimedia Foundation. Sie wurde 2003 von Jimbo gegründet, er übertrug die Markenrechte an sie, später die Server. Man kann dies nicht hoch genug bewerten: Der Erfolg von Wikipedia war zu diesem Zeitpunkt schon offensichtlich. Ebenso, dass im Internet mit dem richtigen Geschäftsmodell richtig Asche zu machen war.

Dazu kommt seine Fähigkeit, loszulassen. Jimbo steht gerne im Rampenlicht und die von ihm "wohlwollender Diktator" genannte Rolle, die er einige Zeit im Projekt spielte, gefiel ihm sichtlich sehr. An verschiedenen Stellen hat er seine Macht benutzt und das Projekt vorangebracht, an anderen Stellen sich an der sich immer mehr emanzipierenden Community die Finger versengt. Niemand ist fehlerlos und niemand geht ohne Fehleinschätzungen durchs Leben. Entscheidend ist, dass er im Zweifelsfall ohne Groll einfach Macht und Rechte an andere abgegeben hat (den Vorsitz über seine eigene Stiftung, besondere administrative Rechte im Projekt, etc.). Im Gegenteil hat er immer Offenheit gepredigt und so die Grundlage dafür geschaffen, dass ein Heer von Freiwilligen sein Projekt als das ihre betrachtet und entsprechend behandelt. Vergleicht man dies mit dem narzisstischen Kontrolltick von Steve Jobs oder Marc Zuckerberg wird der Unterschied offensichtlich.

Insofern:

Danke, Jimbo, bleib so wie Du bist!

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